Zuchttierwahl 

 

Natürlich gibt es verschiedene Ansätze sein Zuchttier zu wählen. Die einen lassen sich Tiere von Bekannten von Ausstellungen mitnehmen, andere kaufen einfach nach Bewertung aus dem Ausstellungskatalog und sehen sich dann das Tier erst an, dritte beharren auf die Wahl des Zuchttieres mit Blick auf die Bewertungskarte, wieder andere suchen nach der Devise "Ach, wie süß oder wie drollig ist der Charakter" aus und dann gibt es noch welche, die studieren lange hin und her und kommen auch nicht weiter. 

Vor einigen Jahren hab ich in irgendeiner Kaninchenzuchtzeitung folgende fiktive Geschichte gelesen.

"Karl ist schon ganz nervös. Das ganze Jahr hat er gezüchtet und kein Tier wollte dem Preisrichter gefallen. Er konnte das gar nicht verstehen, denn die Eltern der Tiere hatten alle mindestens 96.5 Punkte erhalten. Auf der nächsten Bundesschau kaufte er sich einen neuen Rammler. Den besten Rammler der Schau mit 98 Punkten und um 200 Euro. Als dann seine Nachzucht vorgestellt wurde, war wieder nichts dabei."

Warum? Warum bringt Karl nichts raus? Ganz einfach: er sucht falsch aus. Meiner Meinung nach (es gibt auch andere) macht die Häsin die Zucht, aber wir schauen immer auf den Rammler, weil man von denen nicht so viele hält. Wir kaufen einen Rammler auf einer Ausstellung der viel Fremdblut bringen und uns weiterhelfen soll.

Folgende Dinge wissen wir nicht:

  • wie sehen seine Geschwister aus?
  • ist er vielleicht ein Zufallsprodukt?
  • ist er ein Blender?
  • war er gesund oder ist er von klein auf mit Antibiotika und Medikamenten zum Sieg geschoben worden?
  • welche Milchleistung hat seine Mutter?
  • wie sieht seine Mutter denn aus - so sehen nämlich dann die Enkel wieder aus!
  • ....

Mein Vater sagte vor einem Menschenleben zu mir: einen Rammler kauft man nicht, den zieht man sich. Um das genauer zu verstehen, solle man den Punkt "Rammlermutter"  genau lesen.

Ich selbst kaufe trotzdem hie und da einen Rammler dazu. Dabei schau ich aber auf keine Bewertungskarte, denn die sind für mich (sehr subjektive Meinung) nicht aussagekräftig. Es fehlt den Preisrichtern sicher nicht an Können, aber oft an Zeit und Wissen. Wenn man bedenkt, wie viele Tiere gerichtet werden an einem Tag, dann ist die Konzentration dahin. Dann gerät ein Riesenzüchter and einen Richter, der selbst nur Zwerge züchtet, ein Rexzüchter an einen Widderrichter und schlussendlich ist es nur menschlich, wenn man sich irrt.

Eines meiner Tiere hatte innerhalb eines Jahres folgende Bewertungen: 97, 97,5; 96; 98 und NB danach gleich wieder 97,5. Ein Großteil der Richter war sich der Qualität dieses Ausnahmetieres absolut bewusst, einer dagegen nicht. Würde ich nach Bewertungsurkunden züchten, dann hätte ich ihn nach dem NB wohl aus der Zucht nehmen müssen. 

Caldwell's Gilion 2 Wochen nach NB und eine Woche vor 97,5 

 

Wenn man nun schon nach augenscheinlichen Punken aussuchen muss, da man keine Chance hat zum Züchter zu fahren, so sollte man sich durchaus im Klaren sein, dass Ausstellungen ein Hexenkessel an Krankheiten und manche Tiere gestresst sind. 

Es gilt also bei der Wahl des zu kaufenden Tieres zuerst einmal NICHT die Bewertungskarte anzusehen. Als Grundvoraussetzung steht die Annahme ein gesundes Kaninchen vor sich zu haben (andere sollen weder aus Mitleid noch aus Not gekauft und auch zu Hause sollte nie ein kränkliches Tier zum Einsatz kommen).

Folgende Fragen stellt man nach dem ersten optischen Eindruck an das Tier:

  • wo gleicht es meine Schwächen aus?
  • wo verbessert es meine Linien?
  • was schlag ich mir damit kaputt?

Um auf Karl von oben zurückzukommen, er suchte nach Karten aus, schaute aber nie, ob sein Rammler die Defizite der Häsinnen ausgleichen konnte. Ich habe oft in der Vergangenheit von Leuten gehört, dass sie unbedingt diesen oder jenen Rammler kaufen wollten, welcher bei mir in der Zucht stand. Ich stelle diesen Leuten gerne dann ein Team zusammen, denn ich weiß nicht, wie die Häsinnen des anderen Züchters aussehen. Es gibt Rammler bei den Klein Rexen, die tendieren zum Hechtkopf (langer Ramskopf, manchmal sogar breit in der Stirn). Ein solcher Rammler passt nur zu Häsinnen mit kleinen Kugelköpfen. Andernfalls gibt es in den nächsten Generationen viele "ziegengesichtige Tiere". 

Die drei Fragen von oben muss man sich ganz genau stellen und dann das Tier nach Charakter noch selbst beurteilen. Erst wenn alles der Zufriedenheit entspricht, dann muss man sich sogar die Bewertungskarte ansehen, denn es könnte ein NB draufgeschrieben wegen schwerer Defekte (Spaltpenis, Zahnfehler, Zwitter, Einhodrigkeitoder gar, wie so oft, falsches Geschlecht etc) darauf vermerkt sein. 

 

Zuchttierwahl beim Jungtier

Aus den eigenen Jungtieren das ideale Tier für die Weiterzucht zu wählen, ist um ein Vielfaches schwieriger als eines auf der Schau auszusuchen. Ideal ist es für den neuen Züchter, einen gut erfahrenen Altzüchter, welcher auch noch ehrlich ist und sich bei der Rasse auch auskennt, fragen zu können. Unter Altzüchter versteht man bitte jemand, der viele, viele Jahre sich mit der Variante oder der Farbe auseinander gesetzt hat. Ein Angorazüchter wird auch nach 40 Jahren Zucht einem Rexer nicht wirklich helfen können und vice versa schon gar nicht. 

Sind die Jungtiere erst einmal geboren, so wird nach der ersten Nestkontrolle schon mental eine Reihung gemacht. Züchtet man einfarbig, dann kann man nur anhand der Größe oder offensichtlicher Defekte bereits sagen, wer bleiben kann und wer nicht. Kleine, mikrige und faltige Jungtiere (ab dem 3. Tag nach Milcheinschuss der Häsin) sind zu markieren und definitiv auszuschließen. 

Bei mehrfarbigen Tieren ist auch schon die Farbwahl oder Zeichnung ein Punk, der bei der ersten Kontrolle zu registrieren ist. 

Sind zu viele Jungtiere im Nest, macht es keinen Sinn alle bei der Häsin zu lassen und dann z.B. 14 schwächliche, lebensuntüchtige Tiere großzuziehen. Daher lohnt es sich, immer mehrere Häsinnen zeitgleich jungen zu lassen, um unter Umständen austauschen zu können. Bei gleicher Farbe muss man halt markieren (z.B. Nagellack auf den Krallen der Hinterpfoten, Edding 3000 im Ohr oder ein Kreuz auf der Stirn). 

Sind die Jungtiere in guter Zahl im Nest, dann beobachtet man sie bis zum 12. Tag. Nach dem Öffenen der Augen kann man eine weitere mentale Selektion vornehmen. Sind die Augen gesund, passt die Augenfarbe dann wird erst am 17. Tag wieder an das Kaninchen herangegangen. Dieses Mal wird es bei korrektem Licht auf eine neutrale Unterlage gesetzt und von allen Seiten begutachtet.

 Quelle: S Daws

Hochinteressantes Jungtier am 17. Lebenstag. Vorteile welche bereits klar ersichtlich sidn: vorhandene Spürhaare, kein Ruß an den Ohren, starke Beinchen, gute Felldichte wird bereits angezeigt. Die Ohren sind aber grenzwertig lang für dieses Alter, auch zeigen sie eine eher dünne Struktur und dürften später relativ lang und wenig behaart werden.

 

 Quelle: S. Daws

Gleichaltriges Jungtier in Rhön havannafarben. Es zeigt eine sehr gute Fellentwicklung ist aber vom Typ, der Ohrenstellung, Ohrenhaltung und Ohrenform, sowie aufgrund der dünnen Beinchen niemals in der Qualtät eines späteren Zuchttieres. Je nachdem welche Zuchtform man betreibt, wird das Tier entsprechend weiter aufgezogen.

 

Drei ideale Babys im Alter von 17 Tagen (siam blau). Das Tier in der Mitte zeigt perfekte Ohren, einen runden Kopf. Spätere Beobachtungen bestätigten die Annahme. 1.0 Siam blau Züchterin N.Shobe

 

Die nächste Selektion von Klein Rexen (für Standard und Zwerg Rexe gilt das gleiche Prinzip) sind die Tage 21. bis 27. Sie sind alles entscheidend, denn so wie das Tier an diesen Tagen ist, wird es sich später wieder zeigen.

 

Caldwell's Beatrice, Tag 25. KMS feh-creme-weiß Tag 27

Nun wird das Kaninchen erst wieder mit 8 Wochen wieder zur Selektion betrachtet. Alle Tiere, die farblich, qualitativ etc im Vorfeld mental ausgeschieden werden, müssen nun von der Mutter abgesetzt werden. Und werden separat je nach Verwendungszweck weiter aufgezogen. Sie dürfen NIEMALS wieder in den Zuchtkreis eingebracht werden. Denken Sie daran, warum sie das Tier anfänglich nicht wollten. Noch nicht einmal im Notfall (Zusammenbruch einer Linie...) dürfen Sie diesen Grundsatz umwerfen.

Die bleibenden Tiere dürfen sich über die Anwesenheit der Mutter bis zur 12. Woche nun freuen. Wenn es der letzte Wurf im Jahr für die Häsin war, so dürfen die Töchter gerne auch noch bis in die 20. Woche oder bis zum eigenen Zuchteinsatz mit der Mama zusammenleben. Söhne werden ab der 12. Woche zuerst in der "Bubengruppe" und nach einer weiteren Selektion in den Rammlerbuchten aufgezogen. 

Tiere, die in der 8. Lebenswoche nicht rund in der Form waren, werden es auch nie richtig sein. Natürlich kann man mit viel guter Fütterung sehr viel vertuschen, aber das ist nicht zielführend. 

Von der 8. Lebenswoche oft bis in die 24. Woche befinden sich Rexkaninchen in der "hässlichen Entleinphase". In dieser Zeit sollte man nicht selektieren (außer bei Krankheiten), denn man würde den Tieren unrecht tun. 

 

Phasen am Beispiel eines einfarbigen Tieres:

Caldwell's DaSchwarze

Ein gigantisches Baby mit 21. Tagen. Da lacht dem Klein Rex Züchter das Herz.

 

Caldwell's DaSchwarze in der hässlichen Phase mit 9. Woche. Fell, Beine, Bauch und Ohren sind eine große Katastrophe. Würde man in dieser Lebenswoche selektieren, dann wäre er definitiv kein Tier mit mangelhafter Qualität. 

Mit 9 Monaten sieht er dafür dann so aus, wei man es von ihm erwartet hat. 

 

Die letzte Selektion ist nach dem ersten Zuchteinsatz. Bei Häsinnen ist der 2. Wurf abzuwarten, denn die Milchleistung steht von Wurf zu Wurf. Bei Rammlern sollte man drei verschiedene Häsinnen testen, die er ausgleichen sollte. Sind alle drei Würfe nichtssagend, nimmt man den Rammler aus der Zucht. Neben den optischen Punkten sind aber auch Charaktereigenschaften sehr wichtig.

 

 

Was nützt das schönste Tier, wenn es böse ist?

 

 

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