Das Kaninchen, auch unser Hauskaninchen, ist im Grunde genommen ein Beutetier, ein Ernährungstier für andere Arten. Sein einziger Sinn und Zweck ist viele Junge in relativ kurzer Zeit zur Welt zu bringen, damit die eigene Art nicht ausstirbt und andere ernährt werden können. Diese Information sollte sich der Kaninchenzüchter/halter immer wieder vor Augen halten. Im Gegensatz zum Menschen haben Kaninchen keine Geburtshelfer und können Dank ihres gut ausgeprägten Instinktes selbst ziemlich gut mit ihrer Situation umgehen. Sie machen eigentlich alles richtig. Häsinnen, die das nicht können, starben aus, vermehrten sich nicht richtig, falsche Beckenstellung etc konnte nicht überleben. 

 

Heute wird bei manchen Züchtern oft ein wenig nachgeholfen. Sei es mit Brustpulvern und Brustsprays oder auch mit Wehen fördernend Mittel. Man mag dazu stehen wie man will, ich persönlich lehne beides ab, da aus meiner Sicht dadurch Kaninchen vermehrt werden, deren Instinkt oder Hormonlage nicht ideal ist. 

 

Im Artikel "Die Hitze der Häsin" wird genau beschrieben, wie man nun erkennt, wann die Dame deckbereit ist. 

Ist nun aber der Tag der Niederkunft gekommen, so sollte im Normalfall alles gut und ordentlich ablaufen. Aber auch Kaninchen sind vor Problemen verschiedenster, natürlicher Art nicht gefeit. Es gibt Momente, da muss beim Züchter nicht nur die Vernunft sondern auch das Mitgefühl mitspielen. Denn man darf ein leidendes Tier nicht sinnlos Qualen aussetzen. 

Geburten sind schmerzhaft. Das Kaninchen hat ein anderes Bewusstsein als der Mensch und daher auch ein anderes Schmerzempfinden. Trotzdem nimmt die Häsin den Geburtsschmerz definitiv wahr und leidet darunter ganz gleich, wie jedes andere Tier, welches gebärt oder Eier legt. Der Mensch ist davon nich ausgeschlossen. Züchterinnen, die geboren haben, werden das sehr wohl bestätigen können. 

 

Im Folgenden will ich mich nun der vor- und nachgeburtlichen Phase und Probleme in diesem Zeitrahmen widmen. Anzeichen der beginnenden Geburt etc, kann man auf vielen Seiten nachlesen. Das muss ich nicht wiederholen.

Im Folgenden gehen wir von Häsinnen aus, die KEINE Nahrungsmangelerscheinungen und in sauberen Wurfboxen oder Wurfställen ihre Jungen kriegen sollen.

 

Erleichterung der Geburt und Ordnen der Jungen

Drei bis vier Tage vor dem errechneten Geburtstermin beginne ich bei Erstlingshäsinnen (Häsin, die noch keine Jungen hatte) ein paar Mal am Tag (so oft ich dran denke) ein paar Kügelchen Pulsatilla (meistens 5 pro Gabe) zu verabreichen.

Pulsatilla: Pulsatilla pratensis, oder auch Kuhschelle, ist eine violettfarbene Bergblume. Pulsatilla wirkt geburtsvorbereitend und macht den Muttermund weich. Außerdem scheint es dabei helfen, Wehen zu stabilisieren.

 

Es scheint auch, dass nach diesen Gaben, sich die Jungen in die richtige Position drehen. Das ist aber nur eine Beobachtung und keine wissenschaftliche Feststellung.

 

Manche Häsinnen sind oft einige Tage vor dem Geburtstermin ziemlich müde und wirken fassungslos und erschöpft. Hier biete ich frisches Gemüse (Feldsalat oder Löwenzahn) zum Ablenken an. Manche Häsinnen liegen nur herum. Solange sie kein Schmerzauge zeigt (siehe Enterocolitis), braucht man auch gar nicht darüber nachdenken, ob sie vielleicht Probleme hat, denn die Häsin ist sozusagen auch nur "eine Frau". Wie menschliche Schwangere ist auch die Häsin mit dem dicken Bauch unpässlich, keine Position mehr angenehm und sie ist mental, so wie eine Frau in der 40. Woche einfach "fertig mit schwanger".

 

Caldwell's Tancredi im frischen Wurfstall "fertig mit schwanger" Tag 30

 

Genau das erklärt auch, die Stimmungsschwankungen mancher Häsinnen, welche zwischen unglaublich anschmiegsam bis bitterbitterböse in der Trächtigkeit sein können. Einfach nur an die Ehefrau, die Freundin, die eigene Mutter oder sich selbst (aus Sicht der Mutter) denken und man erlebt ein wahres Déjà-vu. 

Ist die Häsin ausgesprochen zänkisch und zickig in der Trächtigkeit, so hilft das Füttern von Kamillenblüten oder in Globuli-Form auch Chamomilla. Sollte es noch schlimmer werden und die Häsin ist regelrecht panisch, helfen Aveena Globulis oder schon mal Notfallstropfen. Besser die Häsin ist ruhig, als alle Jungen tot. 

 

 

Tag der Geburt....nichts geht weiter

 

Caldwell's Tancredi II leicht gestresst 

 

Endlich ist der Termin da, die Häsin hat das Nest gebaut, hat Haare gerupft...und nichts geht weiter. Sie steht auf, legt sich hin, sie liegt nur mehr...sie hat definitiv Wehen, aber die Wehen sind unproduktiv. Es gibt ein schönes Mittelchen, auch ein homeopathisches, das hilft allen werdenen Müttern: Caulophyllium. Regelmäßige Gaben fördern die Wehenstärke, öffnen den Muttermund und im Normalfall geht es relativ zügig weiter.

 

 

Die Jungen liegen im Nest, sie kümmert sich nicht darum:

 

Grund A

Wer selbst Kinder geboren hat, der versteht, dass die Häsin vielleicht einfach fertig ist. Die Geburt war anstrengend, der Blutverlust hoch und die Häsin, will ihre Ruhe haben. Sie hat noch immer Kontraktionen, da sich die Gebärmutterhörner erst langsam zusammenziehen. Früher war es dann Brauch bei den Kaninchenzüchtern nach saftigem Löwenzahn, dickem Zaungras, großen Blättern vom europ. Bärenklau zu suchen und die Häsin damit zu verwöhnen. Ich tu das in den Frühlingsmonaten immer noch und die Häsinnen danken es mir mit Fresslust, Freude an den Jungen und rauhen Mengen von Milch. 

 

Grund B/1

Die Häsin hatte eine schwere Geburt und leidet an großen Schmerzen. Auch wenn der Rammler oft im Gewicht ideal war, so sind manche Häsinnen enger gebaut oder die Jungen zu groß oder sie kamen seitlich daher. Es gibt viele Gründe warum Häsinnen schwere Geburtsverletzungen davontragen. Innere Verletzungen wie Gebärmutterrisse kann man von außen nicht sehen. Leider kommt hier IMMER jede Hilfe zu spät, da das Tier kurz nach der Geburt oder noch während der Geburt verendet. 

 

Grund B/2

Verletzungen der Scheide sind sehr schmerzhaft. Häsinnen haben Dammrisse, Scheidenquetschungen und oft schwere Ödeme nach einer Schwerstgeburt.

 

Blutergüsse und Flüssigkeitsansammlungen im Scheidenbereich nach einer Schwerstgeburt. Quelle: J.Kornmann

 

Hier kann nachbeugend Arnica in häufiger Gabe verabreicht werden. Die Häsin sollte aber eine wirklich ausreichende Heilzeit von mindestens 12 Wochen bis zur nächten Belegung haben. 

 

Grund C

Apathisch dasitzende Häsinnen sind ein Horror für den Züchter. Es gibt hier mehrere Gründe:

 

  • sehr schwere innere Verletzungen 

  • Nachgeburten und Nachgeburtenreste, die in der Häsin verblieben sind

  • Infektionen durch mangelnde Stallhygiene für dem Werfen

  • schwere Traumata nach schweren Geburten mit toten Jungen

  • Milchfieber (Mastitis)

Bei schweren inneren Verletzungen wird die Häsin nicht zu retten sein. Haben die Jungen überlebt und vielleicht (hoffentlich) Colostrum (Biestmilch) erhalten, kann man sie einer Amme unterlegen. Die Amme sollte aber mit den Adoptivkindern nicht überfordert werden (nicht mehr als 8 Junge insgesamt).

 

Sind Reste in der Häsin verblieben kann man „Gynäcoheel“ (Heel Baden-Baden), das in der Schweiz Helonias compositum verabreichen. Ich mache das seit Jahren bei Häsinnen, die nicht nach der Geburt sofort gut fressen. Es ein komplexes Mittel.

 

 

Grund D

Schwere Infektionen (Kindbettfieber) sind bei Kaninchen selten, aber es kommt vor. In diesem Fall fiebert die Häsin ein bis zwei Tage nach einer Geburt sehr hoch und wird an der Infektion versterben. Bis der Züchter das Problem erkannt hat, ist das Tier für jegliche Behandlung bereits zu schwach bzw. ist die Häsin tot. Beim Anzeichen von hohem Fieber, hartem Bauch, übelriechendem Ausfluss aus der Scheide, ist es besser die Häsin SOFORT zu erlösen. 

 

Grund F/1 Jungtiere tot, nie gesäugt

Mastitis (Gesäugeentzündungen, Milchfieber) gehen mit geschwollenem, hartem Gesäuge, welches meist sehr heiß ist einher. Im Normalfall komm es nur durch unsaubere Haltung zu einer Infektion des Gesäuges, nicht aber durch das Saugen der Jungen. Wir Säuger wären allesamt lange ausgestorben, wenn Mutter Natur uns nicht entsprechende Dinge zur Seite gestellt hat. Es kommt dann zur Gesäugeentzündung, zu MIlchstau oder ähnlichem, wenn keine Jungen da sind. Selbst bei Totgeburten kommt es zum Milcheinschuss. Aber er ist minimal, wenn kein Tier angefangen hat zu saugen, und dadurch in der Hypophyse (Gehirnanhangsdrüse) das Hormon Prolaktin nicht freigesetzt wird. Erfahrene Züchter raten bei einem totalen Verwerfen zum sofortigen Nachdecken. Richtig ist, dass eine erneute Trächtigkeit, die Milchbildung in diesem Falle, da kein Reiz des Saugens vorhanden ist, den Milchfluss stoppt.

 

Grund F/2  Junge versterben einige Tage nach der Geburt, Milchfluss stoppen

Haben aber Junge die Häsin besaugt, so schießt ab dem dritten Tag meist unglaublich viel Milch (bei entsprechender Fütterung ein). Die Häsin leidet unter den geschwollenen Zitzen sehr und kann im schlimmsten Fall fiebern und versterben. Ist das Gesäuge stark geschwollen, darf die unerfahrene Hand nicht irgendwie versuchen die Milch herauszuquetschen. Man braucht saubere Waschlappen und einen Eimer heißes (richtig heiß, nicht kochend!) Wasser. Nun setzt man sich auf einen bequemen Stallsessel oder eine umgekehrte Bierkiste (ist fast besser, weil man einen anderen Winkel hat) und klemmt die Häsin mit dem Rücken nach unten zwischen die Beine. Die heißen, feuchten Waschlappen werden für einige Minuten auf das Gesäuge gelegt, während man SANFT mit zwei Fingern die Häsin ausmelkt. Dabei streicht man mit Daumen und Zeigefinger jede einzelne Milchdrüse von außen nach innen zur Zitze bis die Milch anfängt abzulaufen. Dabei muss man die Lappen immer wieder abtauschen. Wenn alle Milchdrüsen leer sind, ist man selbst voll Milch und nass (außer man fängt die Kaninchenmilch auf...das ist aber dann wie im Sprichwort nicht zum Mäusemelken aber zum Kaninchenmelken)- Dann schlägt man ein Baumwolltuch unter die Häsin, welches mehrfach um das Tier passt.  Nun nimmt man EISGEKÜHLTE Weißkohl/Weißkrautblätter. Die Blätter MÜSSEN wirklich sehr, sehr kalt - aber nicht gefroren sein. Sie werden kreuzweise über das Gesäuge und dann schlägt die Häsin sehr gut ein. Man fixiert das Tuch mit Klettverschlüssen oder Sicherheitsnadeln (1. sicherer). Die Häsin in eine sehr enge Transportbox geben und warten (1 Stunde) bis das Kraut regelrecht warm geworden ist. Anstelle von Kraut kann man auch frischen Quark verwenden. Innerhalb weniger Stunden sollte sich der Zustand der Häsin massiv bessern und der Milchfluss versiegen. 

 

 

 

 

 

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